100 Jahre Sünde in der Casino Stadt Las Vegas

29.05.2005, Lesen Sie hier den Bericht über «100 Jahre Sünde in der Casino Stadt Las Vegas».

Las Vegas im Geburtstags-Rausch. Zocken, Feiern, Staunen - die 24-Stunden-Party


Zum 100. Geburtstag strahlt der "Strip", Las Vegas Glitzermeile heller denn je / Foto: promo

Es gibt Leute, die glauben, daß sich ein Spielhallenbesuch nicht lohnt. Maschinen sinnlos mit Geld füttern, das dann eh weg ist. Nichts für mich. In Las Vegas ist das anders. Zocken als Urlaubserlebnis. Oder, viel besser und billiger: Zocker gucken. Das einzige Spiel, bei dem man garantiert gewinnt. Besonders im Wynn-Hotel. Hunderte Slot-Machines drängen sich dicht an dicht in einem niedrigen Raum mit den Ausmaßen eines Fußballfeldes. Das permanente "Ritsch-ratsch" der einarmigen Banditen übertönt den Jazz-Sound, der aus den angrenzenden Bars hereindringt, wie ein monotones Percussion-Solo. Lichter flackern. Auf den Maschinen. Und in den Augen der Spieler mit den erstarrten Gesichtern. Einfach betrachtet, gibt es drei Sorten von Zockern in Las Vegas. Die Süchtigen, die Touristen und die Silikon-Schönheiten. Am Anfang habe ich mich noch gewundert über die Mädels im Wynn-Hotel. Wie nett die mich alle anschauen und wie unglaublich gut die gebaut sind. Erst später wurde ich mißtrauisch. Da sah ich eines der Mädchen im Hotel-Lift, untergehakt bei einem älteren Japaner, der irgendwie nicht zu ihr passen wollte.


Die Wasserfontänen vor dem "Bellagio" zählen zu den Höhepunkten der Stadt / Foto: promo

Las Vegas, Stadt des Lasters. Kaum ein Vergnügen, das man hier nicht mit Geld kaufen könnte, genau wie es im Reiseführer steht. Vom Wüstendorf zur Lasterhöhle In diesem Jahr feiert die Stadt der Sünde ihren 100. Geburtstag. So lange schon trotzt Las Vegas allen amerikanischen Vorstellungen von Moral und Anstand. Hier wird auf offener Straße geraucht und getrunken, hier wird rund um die Uhr gezockt und hier verteilen Mexikaner auf dem Gehsteig bunte Kärtchen auf denen halbnackte Frauen ihre Dienste anbieten. Der Geschichte der Stadt begann am 15. Mai 1905 als die damalige Bahngesellschaft 1200 Grundstücke in dem Wüstendorf für insgesamt 265 000 $ versteigerte. Ein Jahr später wurde das erste Hotel eröffnet, der Whiskey begann zu fließen. Doch erst 1931 wurde die "Lasterhöhle Amerikas" komplettiert als der Gouverneur von Nevada gegen alle Widerstände das Glücksspiel und die Prostitution legalisierte. Damit war der Stern am Nachthimmel Amerikas geboren. Und er strahlt heute heller denn je.


Nirgendwo läßt sich so billig und schnell heiraten wie in Las Vegas / Foto: AFP

Ich stehe auf der berühmtesten Glitzermeile der Stadt, dem "Strip". Auf drei Kilometern breitet sich hier die Welt im Zerrspiegel aus. Vor mir ragt ein Bonsai-Eiffelturm in den stahlblauen Himmel, keinen Steinwurf entfernt erheben sich die verkleinerte Skyline New Yorks, der Markusplatz, die Pyramide von Luxor. Gut gelaunte Menschenmassen schieben sich über den Gehsteig. Blinkende Leuchtreklamen und ein später Elvis-Klon wetteifern um meine Aufmerksamkeit. Plötzlich setzt klassische Musik ein und aus dem künstlichen See vor dem edlen Bellagio-Hotel schießen Wasserfontänen synchron zur Musik in den Himmel. Ein eindrucksvolles Schauspiel, das ich zu gern im Sitzen bewundern möchte. Sitzen? Bänke? Fehlanzeige. Mit leichter Wehmut denke ich an die gepolsterten Barhocker vor den Slot-Machines zurück, doch da ich mein Tageskontingent schon verspielt habe (und die Frauen ihre Glaubwürdigkeit), muß ich mich um eine andere Sitzgelegenheit kümmern. Starbucks? Zu heiß für Kaffee. Der Hotelpool? Zu voll. Eine Show - Blue Man Group oder den Cirque du Soleil? Zu früh. Das Hofbräuhaus? Bingo!


Mehr als 6 Milliarden Dollar wurden 2004 in Las Vegas verzockt / Foto: promo

Showtime im Hofbräuhaus Oktoberfestatmosphäre im Bierzelt: Von den fast 800 Plätzen sind fast alle belegt. Grölende Amerikaner tanzen zu Live-Blasmusik auf den Tischen. Stampfen mit den Füßen, schunkeln. Das können die also auch. Ich beobachte diese deutsche Leitkultur-Übung aus sicherer Entfernung. Eine Dirndl-Kellnerin, die eigentlich aus Idaho stammt, bringt mir eine Maß Bier und ein Wiener Schnitzel. Sie muß eine von monatlich 6000 sein, die in die Stadt strömen, um hier ihr Glück zu versuchen.


Mädchen werben für Casinos und mitunter auch für sich selbst / Foto: michael heine

Gestärkt und bis oben angefüllt mit Eindrücken mache ich mich auf den Heimweg. Der Strip glitzert, Stretch-Limousinen schieben sich über den Asphalt. Vor dem "Rare" im berühmten Hotelcasino "Caesars Palace" staut sich das Partyvolk. Der zur Zeit angesagte Nachtclub Las Vegas gehört Steffi Graf, Andre Agassi und Celine Dion. Mal schauen, wie Steffi ihr Geld angelegt hat. In dem 14 Millionen teuren Edel-Club herrscht Ausnahmezustand. Auf zwei Etagen wird getanzt, abgehangen, geflirtet. Und auf der Außenterrasse mit Blick auf den abendlichen Glitzerstrip habe ich kurz das Gefühl, in der Brutstätte des Vergnügens zu sein. Hätte ich Steffi gar nicht zugetraut.


Die Versteigerungsankündigung der "Las Vegas Land & Water Company" aus dem Jahre 1905. Foto: Fremdenverkehrsamt las Vegas

Zurück im Wynn. Mein Fuß versinkt in der Zentimeter-dicken Auslegware. Muster und Farbgebung machen mich schwindelig, dazu Soundgewitter aus den Daddelautomaten. Zuviel Input. Ich sehne mich nach einer Auszeit für Augen, Ohren, Geist. Ein Mädchen lächelt mich nett an, ich lächele nett zurück. Morgen fliege ich in den Grand Canyon. Zwei Tage Auszeit. Dann komme ich wieder. Michael Heine, berlin1.de

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